Gehacktes

Jennifer Bork, 2018

Fehler oder Kommunikationsstörungen auszunutzen um das System zu unterlaufen sind klassische Methoden des Hackens. Es geht um die Herausforderung und den kreativen Umgang mit der Computertechnik. Kunst und hacken haben hier eine gemeinsame Ausgangsbasis, was sicherlich auch dazu führt, dass die Grenzen zwischen den beiden Bereichen immer durchlässiger werden. Der Hacker wird nicht selten zum Künstler und andersrum. Nicht zuletzt folgen auch die Inszenierungsstrategien ähnlichen Mustern. Um Hacker wie Künstler ranken sich diverse Mythen. So wirkt die Geschichte einer der ersten Lichtgestalten der Hackerszene, dem Phreaker Joybubbles, wie ein Romangeschehen: In etwa zeitgleich mit dem Aufkommen der Fluxus-Bewegung fand der blinde Mann mit dem absoluten Gehör zufällig heraus, dass die analoge Telefonleitung in den USA auch dazu benutzt werden konnte akustische Signale einzuspeisen, die der Vermittlungsanlage anzeigen, welche Leitung zu benutzen ist, so beispielsweise ob es sich um ein Orts- oder ein Ferngespräch handelt. Joybubbles, der sich diesen Namen tatsächlich offiziell hat eintragen lassen, konnte damit umsonst telefonieren, indem er unter anderem eine bestimmte Tonabfolge in den Hörer pfiff. Am Beispiel des, selbstverständlich so heute nicht mehr möglichen, Vorgangs des Phreaking, also des Telefonhackings, offenbaren sich einige Grundsätze des Hackings generell. So werden die der Technik zugrunde liegenden Mechanismen und ihre Fehler im Hack sichtbar und für eigene Zwecke nutzbar gemacht. Die Einfachheit mit der das Austricksen der Maschinen stattgefunden hat, ist gerade vor dem Hintergrund einer Zeit interessant, in der Maschinen sich nach und nach selbst programmieren lernen und künstliche Intelligenzen den Menschen übertreffen. Die Vision des Fluxus die Grenze zur Kunst zur verwischen und zur Alltagspraxis zu werden scheint in Joybubbles seine Verkörperung gefunden zu haben.

Der kreative Umgang und die kritische Auseinandersetzung mit der verwendeten 3D-Technologie stehen auch im Vordergrund von Mitra Wakil & Fabian Hesses Arbeit, die damit auch eine Nähe zum Hack aufweist. So erzeugen sie bewusst Fehler und nutzen Schwachstellen im Kommunikationsprozess der Maschinen für ihre eigene Ästhetik. Im Ergebnis entstehen sowohl in den 3D-Scans als auch in den 3D-Prints fragmentierte, von Brüchen und Fehlstellen gekennzeichnete Hohlkörper. Dass es nicht um Affirmation einer glatten, technisch erzeugten Oberfläche geht, unterscheidet die Arbeit des Duos von anderen der Post-Internet-Ära. Gleichzeitig identifiziert sich ihre Kunst aber als solche. Post-Internet heißt auch: Alles wirkt schon immer wieder überwunden, zerstört, taucht nur noch in der Collage und als Zitat auf. „Wir leben ja eh in Ruinen, realen oder symbolischen […], “ sagt Fabian Hesse in einem Interview mit dem Blog Perisphere. Wenn Hesse & Wakil ihre „scan-booth“ im Raum für Freunde des Kunstverein Wolfsburg lose mit Internet-Memen aus der 3D-Printer-Szene bestücken dann mit dem Wissen, dass sowohl Hacker als auch Nerds längst zu Sozialfiguren geworden sind. Der Bruch findet immer schon auf einer Meta-Ebene statt. In der Fluxus-Tradition stehen ihre Arbeiten nicht nur durch diese Brüche, sondern auch durch die Aufhebung der Ordnung aus Kunstwerk, Betrachter und Künstler. Der Besucher selbst wird zum Akteur ermächtigt, der die scan-booth bei der „FluXxus-3D-Scan-Party“ erst aktiviert. Die Posen, die die Körper während der Aktion einnehmen sind teilweise selbst erdachte, teilweise historische „scores“ aus dem Fluxus, die größtenteils auf Alltagsbewegungen basieren, die einfach auszuführen sind. Der Bruch entsteht in erster Ordnung durch die Imperfektion in der Interaktion von Maschine und Mensch. Die vom Scanner erzeugten Bilder speisen die Körper der Akteure –vom bildgebenden Programm zur ausgehöhlten Hülle transformiert– als Daten wieder in die Zirkulation der Bilder im Internet ein.


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